Ein missglückter Start, Architektur der Superlative, platte Füße, ungewöhnliche Verkaufsstrategien und ein neuer Reisefreund.
Dank zahlreicher Unfälle auf der Strecke zwischen Brasov und Bukarest kamen wir mit fast drei Stunden Verspätung an. Ich informierte unseren Host über den aktuellen Stand, wann wir ankommen würden und entschuldigte mich für unsere Verspätung. Als er uns am Abend abholte, wurde ich zur Begrüßung etwas harsch von ihm darauf hingewiesen, dass ich mich nicht für etwas entschuldigen solle, wofür ich nichts kann. Ok, wieder etwas gelernt. Oder auch nicht.
Also saßen wir erstmal wie zwei eingeschüchterte Häschen bei ihm im Auto.
Da wir nach der langen Fahrt hungrig waren, brachte uns der Host zu einem Imbiss und startete dort eine Art Interview mit uns. Wir aßen Humus und versuchten eher erfolglos mit Lächeln und Zustimmungen der Konversation eine Wendung zu geben.
Bei ihm Zuhause entspannte sich die Situation bei einer Flasche Rotwein zum Glück. Dennoch wurden wir das Gefühl nicht los, dass er Couchsurfer nicht aus reiner Gastfreundschaft und Überzeugung des Konzepts aufnahm – insbesondere weil er selbst keine Couch surfen würde.
Die Info, dass am nächsten Morgen noch zwei Italiener kommen würden, ließ uns etwas entspannter einschlafen. So konnte sich die Redegewalt unseres Host in Bukarest wenigstens auf vier verteilen…
Tag 14
Wir schliefen noch, als sehr früh am Morgen die beiden Italiener kamen. Um halb neun wurde unsere Nacht dann beendet, als unser Host uns nahe legte, den Tag zu starten.
Auf der Suche nach Kaffee und Frühstück stapften wir mit den beiden anderen Couchsurfern los. Unser erstes Ziel war der Parlamentspalast. Auf dem Weg kauften wir für den nächsten Tag Zugtickets nach Veliko Tarnovo in Bulgarien, da wir in der Nacht beschlossen hatten, nicht drei Nächte in Bukarest zu bleiben.
Um halb elf standen wir dann vor einem Palast der Superlative. Nicolae Ceaușescu hatte von 1983 bis 1989 ein gigantisches Gebäude erbauen lassen, dass nach dem Pentagon in Washington als zweitgrößtes der Welt gilt. Zu müde für die Tour, um einen Blick ins Innere werfen zu können, überließen wir den intellektuellen Teil den beiden italienischen Jungs und verbrachten unterdessen die Zeit in dem Garten eines gemütlichen Cafés.
Um die Mittagszeit machten wir gemeinsam mit den beiden Italienern, die inzwischen ebenfalls erschöpft waren, in einem Park Pause. Weiter ging es zu Fuß durch die gesamte Innenstadt. Gegen sieben hatten wir die Altstadt, einen bei rumänischen Studenten angesagten (in einem alten Gebäude beherbergten) Buchladen sowie das Gebäude des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, wo Ceaușescu im Dezember 1989 seine letzte Rede hielt, gesehen.
Unsere acht Füße waren platt, unsere vier Bäuche hungrig und wir alle müde und zu guten Reisepartnern geworden. Essen musste her!
Wir kontaktierten unseren Host, von dem wir seit mittags nichts mehr gehört hatten. Er sammelte uns mit dem Auto in der Innenstadt ein und fuhr uns zu einem Restaurant. Das Essen war lecker und zum Dessert servierte er uns einen Verkaufsmonolog, dessen Produkt wir nur erahnen konnten.
Nachdem wir unseren Host gedanklich schon als Sektenanhänger oder Staubsaugervertreter der Extraklasse eingeordnet hatten, waren wir am späten Abend fast schon enttäuscht, als unsere Neugier endlich gestillt wurde: Der Host präsentierte uns einen 15-minütigen Werbeclip einer amerikanischen Reiseagentur, die Luxusreisen zu angeblichen Schnäppchenpreisen für zahlende (!) Clubmitglieder bereithält. Dem Schneeballprinzip folgend versprach die Agentur zudem Wohlstand und ein besseres Leben im Tausch gegen neu angeworbene Mitglieder.
Aha! Da lag der Hase also im Pfeffer. Warum hatte unserem Host nur keiner der Traumfänger erklärt, dass Couchsurfer eher weniger der anvisierten Zielgruppe entsprechen? Jedenfalls bei uns (als Rucksacktouristen) konnte er weder mit seiner Verkaufsstrategie noch mit dem zweifelhaften Produkt punkten.
Wir dankten für die Vorstellung und wünschten eine gute Nacht.
Tag 15
Einer der beiden Italiener machte sich bereits im Morgengrauen auf den Weg zum Flughafen. Wir übrigen drei Couchsurfer schliefen etwas länger, packten dann aber zügig unsere Rucksäcke und fuhren zum Bahnhof.
Gemeinsam mit unserem neuen italienischen Reisefreund verließen wir zu dritt gegen 13.00 Uhr Bukarest in Richtung Veliko Tarnovo in Bulgarien.