Nun hat es dich auch getroffen. Sechzig Wochen warst Du mein Anker in der Stadt.
Deine letzten brennenden Herzen, die wir noch selbst entfacht haben, werden dir herausgerissen und durch moderne, elektronisch gesteuerte Herzen ersetzt.
Deine bröckelnde Fassade kann den Schein der gewollten Perfektion nicht wahren. Deine alten und charmanten Gemäuer müssem charakterlosem Hochglanz weichen. Deine Individualität und Einzigartigkeit wird in die Gleichförmigkeit gezwungen. Kreativität wird unter Geschmacksneutralem erstickt.
Ausdruckslose Schreibtischentwürfe radieren deine Zeichen der Geschichte aus. Wo heute noch dein schiefes Lächlen ist, wird morgen ein verzerrtes Grinsen sein, das einem uniformen Ideal entspricht – entworfen von emotionslosen Menschmaschinen.
Arbeiten. Investieren. Arbeiten. Profitieren. Die Zahlen müssen stimmen. Das ist ihr Ziel.
Warum hast du dich von ihnen kaufen lassen? Sie haben sich dir in Geld-regiert-die-Welt-Manier bemächtigt, weil dein Standort attraktiv ist. Es geht ihnen nicht um dich!
Sie werden dich rausputzen und ausnutzen und gierig mit ihren Klauen nach dem Geld greifen, das du bringen sollst. Sie werden dir erzählen, dass du es jetzt besser haben wirst. Aber das stimmt nicht! Wir haben doch sehr gut miteinander gelebt. Ich mochte dein Heulen und Jauchzen im Winter, deine bräsige Trägheit im Sommer. Ich wünschte, du könntest bleiben wie du bist. Aber diese Illusion haben sie uns genommen.
Ich habe Abschied genommen, bevor deine innere Schönheit verblasst und künstlicher Wohlgestalt weichen wird. Bitte verzeih’ mir, dass ich diesen Weg nicht mit dir gemeinsam gehe und dich jetzt verlasse.
Ich werde dich nicht vergessen und schreibe: Lebe wohl 102.
Eine Antwort auf „Lieblingsorte in Hamburg // Lebe wohl 102“
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